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Jagdunfall

05. Dezember 2016

Greifvögel sind imposante Geschöpfe. Sie sind wunderschön, flink, wendig, absolute Luftakrobaten, aber hin und wieder geht auch den Meistern etwas schief. Gestern fanden wir einen weiblichen Sperber auf unserem Parkplatz sitzend. Normalerweise machen sich Sperber sofort aus dem Staub, sobald Menschen auf sie zukommen, aber diese hier blieb sitzen. Da uns das etwas merkwürdig vorkam, ging unser Weg nicht wie üblich direkt zur Kamera, sondern auf den Sperber zu. Sie ließ uns bis auf wenige Zentimeter an sich heran, damit war klar, dass hier etwas nicht stimmen kann. Wilde Greifvögel, die Menschen so knapp an sich heran lassen, brauchen Hilfe.

Wir sicherten den Vogel vorsichtig mit einer Decke und setzten sie in einen Karton im Warmen, wo sie erst einmal in Sicherheit zur Ruhe kommen konnte. Sie wirkte die ganze Zeit über apathisch und reagierte nur wenig auf Reize. Äußere Verletzungen waren jedoch keine zu erkennen, sie hatte ein gutes Gewicht für eine Dame, das Gefieder war vollständig und in gutem Zustand, die Flügelstellung wirkte normal und die Füßchen hatten auch nichts abbekommen. Es schien sich also um einen schlichten Jagdunfall zu halten, sie war vermutlich beim Anflug gegen eine Autoscheibe gedonnert. Während sich die Sperberdame ausruhte, versuchten wir einen Tierarzt aufzutreiben. Mitten am Land, an einem Adventsonntag, an einem Wahltag. Ein Ding der Unmöglichkeit. Nur ein einziger Tierarzt hatte auf unsere Anrufe reagiert, aber dieser war bereits mit einer Notoperation verplant. Die nächste Notfallklinik befand sich eine Autostunde entfernt, und da sie trotz der Apathie einen guten Eindruck machte, wollten wir ihr den Stress einer langen Autofahrt ersparen.

Nach wenigen Stunden bereits kam wieder etwas Leben in den Vogel. Ihre Blicke wurden wacher und klarer, ihre Reaktionen besserten sich bereits wieder. Das Schlimmste lag wohl hinter ihr. Obwohl sie keinesfalls an Menschen gewöhnt war, zeigte sie sich glücklicherweise recht kooperativ bei der Wassergabe. Da die Sonne jedoch bereits untergegangen war, und wir sie dennoch einem Tierarzt vorstellen wollten um sicher zu gehen, dass keine Brüche vorlagen, beschlossen wir sie bis zum nächsten Tag bei uns zu behalten. Und da sie sich ruhig verhielt und trotz Erholung immer noch etwas "verschlafen" wirkte, schien dies vorerst die beste Lösung zu sein.

Am nächsten Tag ging es daran, einen willigen Tierarzt zu finden, was sich als schwerer erweisen sollte als gedacht. Offen hatten sie ja alle an einem Montag Vormittag, aber ihre Begeisterung hielt sich dennoch in Grenzen. Wir telefonierten uns durch die ganze Gegend und wurden von allen abgewiesen, Wildtiere seien nicht erwünscht. Ohne noch zu Wissen worum es überhaupt ging wurden wir wieder und wieder abgewürgt. Bis wir auf die noch relativ neue Franziskus Tierambulanz stießen. Sie waren bereit uns einen Termin zu geben, sogar nach Ordinationsschluss um der Sperberdame zusätzliche Wartezeiten und Stress zu ersparen. Und wie versprochen, als wir zum Termin ankamen war das Wartezimmer bereits leer und wir wurden freundlich empfangen. Schnurstracks ging es auch schon unter das Röntgengerät und zu unserer großen Freude konnten keine Brüche festgestellt werden. Gleichzeitig hatten wir mit zwei tollen neuen Tierärzten auch einen Namen für die Sperberdame gefunden - "Sabine Sperber". Sabine erhielt damit ihre endgültige Starterlaubnis.

Es hätte auch anders ausgehen können. Innere Verletzungen oder Brüche hätten einen Start mindestens für die nächsten Monate verhindert, vielleicht hätte sie nie wieder fliegen können und ein Dauerpflegeplatz wäre nötig geworden. Zum Glück war alles glimpflich ausgegangen. Die Dame hatte sich innerhalb eines Tages erholt und legte einen wunderbaren Start hin. Sie tat uns sogar den Gefallen und rastete noch kurz auf einem nahe gelegenen Baum, wo wir noch ein paar Fotos schießen konnten, bevor sie sich endgültig davon machte. Machs gut Sabine, hoffentlich sehen wir uns bald gesund und munter wieder.

 

Nina Leitgeb & Raoul Reichebner

Der Sperber (Accipter nisus) ist ein Greifvogel aus der Familie der Habichtartigen der seinem großen Verwandten dem Habicht  sehr ähnlich sieht. Sperber leben im Wald, lassen sich aber zunehmend in Ortschaften und Städten mit großzügigen Grünanlagen nieder. Sie ernähren sich hauptsächlich von kleinen bis mittelgroßen Singvögeln bis zur Größe einer Taube aber selten auch von kleinen Säugetieren sowie Reptilien. Sperber wurden lange Zeit als "Niederwildschädlinge" bejagt, obwohl sie einen sehr wichtigen und nützlichen Platz als Prädator einnehmen.

Besonders zu erwähnen ist ihre Flugakrobatik. Bei der Jagd verfolgen sie ihre Beute meist bodennahe und schießen wie ein Pfeil durch dichtes Geäst. Sie können selbst bei hohen Geschwindigkeiten ihre Flugrichtung blitzschnell um 90° wenden und eine Kehre auf der Stelle um 180° durchführen - Manöver, die kaum noch mit bloßen Auge zu erfassen sind.

Hier noch ein kleiner Einblick aus einer BBC Dokumentation zur Flugakrobatik der Sperber.