Bauchansicht von sewellia lineolata
Bauchansicht von sewellia lineolata

Der Prachtflossensauger (sewellia lineolata) stammt aus Asien und bewohnt dort sauerstoffreiche Fließgewässer. Er gehört zu den Schmerlen, auch wenn man es ihm nicht mehr allzu gut ansieht. Sein ganzer Körper hat sich auf das Leben im Fluss angepasst. Mit seinen vergrößerten Flossen lenkt er sich geschickt durch die Strömung und haftet sich an runde Steine, um nicht fortgespült zu werden.

 

Genau diese Eigenschaft ist es, die es dem Flossensauger auch ermöglicht sich an die Glasscheibe des Aquariums zu kleben. So fällt er manchem Kunden beim Fischhändler ins Auge und die schöne Zeichnung auf dem Rücken der Tiere tut ihr übriges. Leider werden oft nur einzelne Tiere gekauft, was dem Flossensauger nicht gut gefällt. Auch wenn er zu Territorialität neigt ist er dennoch ein Gruppenfisch der gerne mit Artgenossen sozial interagieren möchte. Eine Gruppe von 6-8 Tieren sollte es schon sein. 

 

Dabei sollte man jedoch beachten, dass sich Flossensauger in einem gewöhnlichen Gesellschaftsaquarium nicht unbedingt wohl fühlen. Obwohl manche Fischhalter es schaffen, die Tiere in dem eher ungünstigen Lebensraum zu erhalten, haben sie besondere Ansprüche an ihre Umgebung (siehe Sewellias im Gesellschaftsaquarium). Dadurch passiert es leider oft, dass Flossensauger bereits in den ersten Wochen in ihrem neuen Zuhause abmagern, krank werden oder sogar verenden.

 

Oft werden Sewellias als Algenfresser in Geschäften angepriesen. Dabei handelt es sich meistens um einen Irrtum, schlimmstenfalls sogar um ein rein verkaufsförderndes Argument, das leider so nicht haltbar ist.

 

Meine Flossis im Artbecken

In einem unserer Aquarien halten wir 6 Prachtflossensauger zusammen. Das Becken wurde ihren speziellen Bedürfnissen angepasst. Starke Strömung, Flusssteine, Flusspflanzen, feinkörniger Bodengrund und eine reichlich überdimensionierte Filtrierung sorgen für sauerstoffreiches und klares Wasser. Auch wenn sie kurzzeitig höhere Temperaturen vertragen können, ist auf Dauer - vor allem in den Sommermonaten - eine automatisierte Kühlung empfehlenswert. Ist dies nicht gegeben können Sauerstoffarmut und ein zu hoher Stoffwechsel Probleme verursachen. Eine Temperatur von 23° Celsius ist als optimal anzusehen (18-24° Celsius ist der Wohlfühlbereich), während bereits eingewöhnte und gesunde Tiere teilweise auch etwas wärmer gehalten werden können.

 

Beim Futter sind sie nicht allzu wählerisch, so lange man sie nicht rein pflanzlich ernähren möchte und man ihnen ausreichend Zeit zum Fressen gibt, denn sie lassen sich wirklich gerne Zeit dabei. Sie grasen Steine nach Aufwuchs und den darauf aufsitzenden Kleinstlebewesen ab und durchwühlen die oberen Schichten des Bodengrundes nach fressbarem Trockenfutter und Insektenlarven. Fein zerfallende Tabletten und kleines Granulat sowie Frostfutter werden sehr gerne angenommen. Andere Fische im Aquarium sollten ein ruhiges Temperament besitzen und keine zu ungezügelten Fresser sein. Eine Vergesellschaftung mit Garnelen funktionierte bei mir absolut problemlos. Sewellias in ein typisches Garnelenaquarium zu setzen wäre jedoch der falsche Weg, weil in diesen oft die Strömung, Filtrierung und Einrichtung überhaupt nicht für Sewellias geeignet sind. Andersherum - Garnelen in einem Flossensaugerbecken zu halten - ist für beide Arten von Vorteil.

 

All dies klingt komplizierter als es tatsächlich ist, denn die größte Arbeit bedarf die Planung und Einrichtung des Aquariums. Auch mit einem kleineren Budget lassen sich wunderbare Becken für Prachtflossensauger gestalten, wenn man etwas trickreich ist. Für Halter, bei denen es gerne auch etwas mehr kosten darf, kann ich empfehlen sich die Strömungsbecken von "Panta Rhei Aquaristik" genauer anzusehen. Ist das Aufstellen eines geeigneten Beckens erst einmal abgeschlossen, wird man dafür umso mehr durch ein tolles Verhalten der Tiere belohnt. Während Wildfänge zu Beginn ein wenig scheu sind, sind Nachzuchten bereits an Menschen und die Arbeiten im Aquarium gewöhnt und präsentieren sich umso offener. Sewellias zeigen in ihrem natürlichen Verhalten eine schöne Ausgewogenheit aus ruhig-friedlichen sowie lebhaften Aktionen. Mal liegen sie entspannt auf ihren Steinen, im nächsten Moment gibt es harmlose aber beeindruckende Geplänkel zwischen Rivalen und schon zischen sie elegant und flink in der harten Strömung von Stein zu Stein. Auf Grund dieses besonders umfangreichen Verhaltensrepertoires kann ich jedem Aquarianer, der es liebt seinen Fischen stundenlang zuzusehen, diese Art wärmstens empfehlen.

Nachzucht und Jungtiere

Die Nachzucht von Prachtflossensaugern ist nicht unbedingt schwierig, aber leider auch nicht ganz einfach. Meiner Erfahrung nach kommt es darauf an, ob man gewillt ist, den Sewellias eine Umgebung zu bieten, die sie wirklich mögen. Wenn man sie im gewöhnlichen Gesellschaftsbecken hält ist die Wahrscheinlichkeit auf Nachwuchs in größerer Zahl weit geringer. Gibt man sich jedoch bei der Aquariumgestaltung etwas Mühe, so kommen die Nachzuchten quasi von allein. Zumindest kam es mir so vor. Viele Versteckmöglichkeiten für kleine Babys und hochwertiges Futter helfen bei der Nachzucht.

Ein sewellia lineolata Jungtier mit ca. 3 cm Größe
Ein sewellia lineolata Jungtier mit ca. 3 cm Größe

Die ersten farblosen Larven, die wir entdeckten, hatten gerade einmal eine Größe von ca. 3 mm. Sie quetschten sich in die kleinsten Ritzen zwischen den Steinen und wühlten im Mulm nach Fressbarem. In diesem Alter wagten sie sich kaum aus ihren Verstecken heraus. Erst ab einer Größe von ca. 1 cm begannen sie die Gegend rund um ihre Lieblingsverstecke zu erkunden. Dabei nutzten sie bei uns im Aquarium gerne die Blasenschnecken als "Deckung", nicht zuletzt weil die Schnecken sich natürlich immer gerne dort aufhalten, wo es auch etwas Gutes zu mampfen gibt.

 

Im weiteren Verlauf entwickelte sich nun langsam die Zeichnung der Kleinen, die zu Beginn aus unregelmäßigen Flecken besteht. Mit der Zeit werden die Flecken immer feiner gezeichnet und auch die Flossen, die anfangs noch sehr klein sind, werden länger, breiter und geben den Jungtieren langsam ihre Strömungsform. Erst an diesem Punkt ihrer Entwicklung kann man erstmals den eigenen Nachzuchterfolg einschätzen. Wenn man vieles richtig gemacht hat, kann einen die Masse an Jungtieren doch überraschen. Während bei der ungezieltes Vermehrung meistens nur zwischen drei und 10 Jungtieren gleichzeitig groß werden, kann es bei der gezielten Nachzucht "Schwünge" von um die 50 Tieren geben. Plant man also eine Zucht, muss eine ausreichend große Bodenfläche in die Planung mit einkalkuliert werden. 

 

Nachdem der Nachwuchs größer und immer noch zahlreicher wird, wuselt es im Aquarium geradezu. Als die Babies noch kleiner waren, machte den adulten Tieren ihre Anwesenheit rein garnichts aus. Auch wenn allgemein bekannt ist, dass sie keine Brutpflege zeigen, konnten wir Folgendes in den ersten Lebensmonaten beobachten: Obwohl die ausgewachsenen Sewellias untereinander ihre Lieblingsplätze für gewöhnlich verteidigen, hatten die Jungfische scheinbar "Welpenschutz". Sie durften sich neben den Großen auf ihren Lieblingssteinen aufhalten, ohne irgendeine aggressive Reaktion auszulösen. Selbst das Futter teilten sie manierlich mit ihren Babies. Nach gut einem halben Jahr sind die Jungfische 3 cm groß und wachsen aus ihrem Schutzstatus scheinbar heraus. Steine werden wieder gegen sie verteidigt und wenn Futter ins Aquarium fällt gibt es auch keine Zurückhaltung mehr. 

Eine Besonderheit im Verhalten der Sewellias möchte ich nicht unerwähnt lassen: Allgemein gilt die Meinung in Fischkreisen, dass ein Fisch, der seine Rückenflosse anlegt und die Schwanzflosse zusammenfaltet - das sog. "Flossenklemmen" - damit anzeigt, dass er sich unwohl fühlt und unter Stress steht. Bei den Flossensaugern muss man dieses Verhalten etwas differenzierter sehen. Liegen sie entspannt auf ihrem Lieblingsstein in der Sonne, wird die Rückenflosse an den Körper angelegt und die Schwanzflosse meist entspannt und im oberen Bereich leicht zusammenfallend getragen. Nähert sich jedoch ein Rivale oder ein Mensch blickt etwas zu genau auf sein Tier, dann wird die Rückenflosse steil nach oben gestreckt und die Schwanzflosse gespreizt. Kurz danach folgt entweder ein kurzer Kampf um die Ressource zwischen Artgenossen oder der Flossensauger erkennt seine Unterlegenheit an und flüchtet. Da in beiden Fällen entweder Aggression oder Furcht eine Rolle spielen, welche immer mit einem erhöhten Erregungslevel einhergehen, scheint die althergebrachte Weisheit, die für die meisten Fische gilt, bei dieser Art fehl am Platz. Hier ist eine genauere Beobachtung der Tiere erforderlich, um in Erfahrung zu bringen, ob das Tier die Flossen "entspannt" trägt, zusammenfaltet um keine Reibung in der Strömung zu erzeugen oder tatsächlich aus Unwohlsein zusammenklemmt.